Immer wieder bitten uns betroffene Menschen um Hilfe. Sie sind versehentlich in eine Situation geraten, bei der sie selbst auf der Strecke bleiben. Sie standen mit beiden Beinen im Leben, bis sie vor einiger Zeit erkrankten. Der erste Weg führte sie zum Arzt. Der erstellte eine Diagnose, schrieb den Patienten krank und begann mit der Behandlung. Gemeinsam setzten Arzt und Patient alles daran, die Erkrankung zu überwinden. Doch nach sechs Wochen gab es für den Arbeitnehmer die erste Überraschung. Die gesetzliche Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber endete und es begann der Krankengeldbezug mit all seiner Bürokratie. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen kompensiert so mancher mit seinen Ersparnissen während die Behandlung fortgesetzt wird. Alle Bemühungen werden in die schnelle Genesung gesteckt. So vergeht Monat um Monat. Selbst wenn nach eineinhalb Jahren der Krankengeldbezug endet, lebt so mancher lieber von seinen Ersparnissen als zu prüfen, ob vielleicht anderweitig Ansprüche bestehen könnten.
Eine solche Entwicklung ist für den Patienten und seine Angehörigen fatal. Neben der Erkrankung plagen auch noch Geldsorgen und der Betroffene läuft Gefahr, eventuell für seine Ansprüche wichtige Fristen verstreichen zu lassen. Zu allem Überfluss herrscht um die Begrifflichkeiten in einer solchen Situation viel Verwirrung. Ärzte sind in aller Regel gedanklich im sozialversicherungsrechtlichen Bereich unterwegs. Das ist nachvollziehbar, da das ihr täglich Brot ist. Da gehört das Thema Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderung und eingeschränkt (nur Geburtenjahrgänge vor 02.01.1961) Berufsunfähigkeit dazu.
Die Arbeitsunfähigkeit kennt wohl jeder. Das ärztliche Attest – auch gelber Schein – das bescheinigt, dass der Patient aufgrund einer Krankheit „voraussichtlich bis“ zu einem gewissen Datum arbeitsunfähig ist. Für den Arzt gibt es dann im sozialversicherungsrechtlichen Bereich sehr lange kein weiteres Instrumentarium.
Die gesetzliche Form der Berufsunfähigkeitsrente ist ein Auslaufmodell. Wer diese noch in Anspruch nehmen könnte, ist heute bereits 56 oder noch älter. Nur wer eine zumutbare Tätigkeit nicht wenigstens sechs Stunden täglich ausüben kann, gilt als berufsunfähig im Sinne des § 220 Abs. 2 SGB VI. Die tatsächliche Arbeitsmarktlage ist dabei irrelevant. Aber immerhin wird hier in Bezug auf die Zumutbarkeit noch die Qualifikation berücksichtigt. Abhängig von einigen Faktoren kann jemand mit einem Bruttoeinkommen von 3.000 € mit einer gesetzlichen BU-Rente von etwa 900 € brutto rechnen.
Für alle anderen bleibt nur die Erwerbsminderungsrente. Die Hürden sind enorm und die Qualifikation spielt hier keine Rolle mehr. Eine halbe Erwerbsminderungsrente erhält, wer weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann, für die volle Erwerbsminderungsrente liegt die Grenze bei 3 Stunden. Dabei ist es völlig egal, welche Tätigkeit das ist und ob es dafür Arbeitsplätze gibt. Etwa jeder zweite Antrag wird abgelehnt. Die Höhe ist ähnlich wie bei der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsrente jedoch erhalten viele der Betroffenen nur die halbe EMR, da sie noch mehr als 3 Stunden täglich arbeiten könnten.
Da verwundert es nicht, dass dieser Weg nur beschritten wird, wenn es gesundheitlich so gar nicht mehr geht. Doch es muss nicht immer so weit kommen. Was behandelnde Ärzte und sogar die Patienten oft nicht im Auge haben, sind die Möglichkeiten, die private Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit bieten. Manche unserer Mandanten haben schon in jungen Jahren eine solche Versicherung abgeschlossen und die Beiträge werden regelmäßig abgebucht. Wofür genau, wird bei aller Karriereorientierung schnell mal vergessen.
Die private Berufsunfähigkeitsversicherung ist zur Zeit der einzige Weg, die finanziellen Folgen einer schweren Erkrankung abzufedern. Der Anspruch besteht gegenüber einem privaten Versicherungsunternehmen und die Bedingungen sind in der Police geregelt. Grundsätzlich kann die Höhe der Absicherung selbst bestimmt werden und in der Regel besteht der Anspruch, sobald der zuletzt ausgeübte Beruf für mindestens 6 Monate zu nicht mehr als zu 50 Prozent ausgeübt werden kann. Die Hürden hier sind niedriger als in der EMR und die Rentenleistung kann je nach Vertrag deutlich höher sein.
Zugegeben, das Thema ist komplexer, als wir es hier in Kürze darstellen können. Jeder Versuch der Vereinfachung geht zu Lasten der Details. Ein Blick über den Tellerrand lohnt sich aber in jedem Fall. So manchem Patienten hilft vielleicht eine kurze Erinnerung an seine Versicherungsunterlagen, um seine Ansprüche prüfen zu lassen. Denn wer keine Geldsorgen hat, kann sich besser auf seine Genesung konzentrieren.