Dicke leben länger? Lange Zeit galt das als wissenschaftlich bewiesen und wurde immer wieder gerne von Fastfood Liebhabern zur Verteidigung ihrer kulinarischen Eskapaden herangezogen. Doch jetzt sollten wir den Pizzakarton lieber bei Seite legen: Denn ein Forscherteam hat sich die Daten der Studie nochmal genau angesehen.
Das Adipositas Paradoxon: Laut Ergebnissen mehrerer epidemiologischer Studien besitzen stark übergewichtige Personen bessere Überlebensaussichten als schlankere. Wie kann das sein, wenn Fettleibigkeit beispielweise die Entstehung unzähliger Krankheiten, darunter Diabetes und Erkrankungen des Herzkreislaufsystems fördert.
Forscher um John Danesh vom Department of Public Health der Cambridge University haben die alten Daten nun neu ausgewertet und den Haken gefunden. Bei ihren Berechnungen stützten sie sich auf die Ergebnisse von knapp 240 einschlägigen epidemiologischen Studien mit zusammen rund elf Millionen Teilnehmern aller Alters- und Gewichtklassen.
Die neu Studie:
Etwa vier Millionen Probanden, die zeitlebens Nichtraucher gewesen waren, anfangs an keiner chronischen Krankheit gelitten hatten und fünf Jahre nach Studienbeginn noch am Leben waren wurden erneut in den Fokus genommen. Der Grund dafür: Tabakkonsum und schwere körperliche Gebrechen sollten die Ergebnisse diesmal nicht verfälschen. Denn: Raucher sind meist dünner als Nichtraucher, und viele schwere Erkrankungen können zu einem ausgeprägten Gewichtsverlust führen. Werden solche Personen in Sterblichkeitsberechnungen miteinbezogen, kommen die Übergewichtigen zu gut und die Schlanken zu schlecht weg.
Genau das scheint aber oft geschehen zu sein. Wie die Forscher in der medizinischen Zeitschrift „Lancet“ schreiben, verstarben im Verlauf von bis zu vierzehn Jahren knapp zehn Prozent der vier Millionen Probanden. Anders als in vielen vorausgegangenen Analysen hatten hier die Dicksten die höchste und die Normalgewichtigen die geringste Sterblichkeitsrate.
Sterblichkeitsrate Adipöser ist Zwei- bis Dreimal so hoch.
Darüber hinaus gilt: Je jünger man ist, desto nachhaltiger begünstigten übermäßige Pfunde einen vorzeitigen Tod. Sie erhöhen insbesondere das Risiko, an Durchblutungsstörungen des Herzens, Schlaganfällen, Lungenleiden und bösartigen Tumoren zu sterben.
Auch neue Studie bildet die Realität nur ungenau ab.
Denn, die Einteilung in Dicke und Dünne erfolgte wie üblich auf Basis des Body-Mass-Indexes. Der BMI liefert jedoch keine Informationen über die Körperzusammensetzung.
Muskeln oder Fett – dem BMI ist das egal.
Ein hoher BMI kann aber nicht nur durch üppige Rundungen zustande kommen, sondern auch durch eine gut entwickelte Muskulatur. Ein sehr viel differenziertes Bild ergab sich, wie es im „American Journal of Cardiology“ (doi: 10.1016/j.amjcard.2016.01.033) heißt, wenn sie ihren Analysen die Körperzusammensetzung zugrunde legten. Hier galt: Je kräftiger die Muskeln, desto geringer das Sterberisiko. Personen mit gut ausgebildeten Muskeln hatten dann die besten Überlebensaussichten – weitgehend unabhängig davon, ob sie über geringe oder umfangreiche Fettreserven verfügten.
Grund hierfür: Der günstige Einfluss der Muskeln auf den Zuckerstoffwechsel. Die Muskulatur ist ein wichtiger Glukosespeicher und trägt maßgeblich zur Senkung des Blutzuckers bei.