
Weniger arbeiten zum Wohle aller
Bei dem Stand der modernen Technik wäre es möglich, auf alle Menschen Freizeit und Muße gleichmäßig zu verteilen, ohne Nachteil für die Zivilisation. So könnte es wieder Glück und Lebensfreude geben, statt der nervösen Gereiztheit, der Übermüdung und der schlechten Verdauung. Törichterweise nutzen wir die Möglichkeiten, die der technologische Fortschritt bietet, nicht gemeinschaftsfördernd. Diese Aussagen passen auf unsere Zeit mehr denn je. Doch sind sie fast 70 Jahre alt. Sie stammen von Bertrand Russel, der für sein Werk „Lob des Müßiggangs“ 1950 den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Noch die Biografie unserer Eltern ließ sich in drei Abschnitte unterteilen: Ausbildung, Arbeit, Ruhestand. Doch seit 1950 haben wir durchschnittlich 15 Lebensjahre dazugewonnen. Nach dem alten Biografie-Modell stressen wir nun in der mittleren Lebensphase von einem Termin zum nächsten. Und dann zum Ruhestand, wenn wir es überhaupt noch bis dahin schaffen, wundern wir uns, wenn uns langweilig wird. Viele ältere Menschen fallen durch diesen massiven Umbruch sogar in eine besondere Form der Depression.
Die Verteilung der Tätigkeiten eines Menschen auf die Lebenszeit ist also unausgewogen. Unter dem Deckmantel der Work-Life-Balance packen wir die Waagschalen auf beiden Seiten immer voller. Dabei ist nur wenigen bewusst, dass so die Waage und damit auch wir unter der Last zusammenbrechen können. Denn bei aller Effizient – wir bleiben einfach „nur“ Mensch.
6 Stunden und 18 Minuten weniger
Da ist das aktuelle Studienergebnis der Körber-Stiftung nicht weiter verwunderlich. Die Deutschen arbeiten mehr als sie eigentlich möchten. Im Schnitt wünscht sich der durchschnittliche Arbeitnehmer bei uns eine 31‑Stunden-Woche. Das sind deutlich über 6 Stunden, die wir zu lange arbeiten. 71 Prozent der Befragten möchten auch die Möglichkeit haben, einfach mal nichts zu tun. Was in dem traditionellen Verständnis einer auf Leistung und Effizienz getrimmten Gesellschaft schnell als „Faulheit“ abgetan wird, eröffnet mit Blick auf ein Lebenszeitkonto völlig neue Möglichkeiten.
Die Herausforderung besteht also für die gesamte Gesellschaft über eine Umverteilung nachzudenken und einen Rahmen für geeignete Arbeitszeitmodelle zu schaffen. Unterschiedliche Studien haben ohnehin ergeben, dass es sinnvoll ist, bei Arbeitnehmern über 40, das Arbeitspensum auf 20 – 30 Wochenstunden zu reduzieren. Wer das ignoriert, riskiert, für Krankheiten anfälliger zu werden. Es drohen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch psychische Krankheiten. Bei Probanden wurde sogar ein Rückgang der Aufmerksamkeit und der Kreativität festgestellt.
Hier geht es zur Studie der Körber Stiftung